Wenn der Mitarbeiter dem Chef nachfolgt | Deininger Consulting
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Wenn der Mitarbeiter dem Chef nachfolgt

Thomas Deininger hätte seine Personalberatung gut verkaufen können. Er aber wollte eine andere Nachfolgeregelung. Von Inga Janović

Den Richtigen gefunden: Headhunter Thomas Deininger berichtet über seine Lösung der Nachfolgefrage. | © Lucas Bäuml

Wer möchte, kann sich seinen Traum von der Selbständigkeit in den nächsten Jahren erfüllen – ohne dafür ein Start-up zu gründen. In 14600 hessischen Unternehmen steht nach einer Berechnung des Kölner Instituts für Mittelstandsforschung in den nächsten vier Jahren der Generationswechsel an.

Trotzdem wissen einer Umfrage des hessischenWirtschaftsministeriums zufolge mehr als ein Drittel der Unternehmer (39 Prozent) nicht, wie dieser Schritt vonstattengehen soll. Diese Quote lässt die Experten und Wirtschaftsverbände aufhorchen, denn eine Unternehmensübergabe dauert durchschnittlich fünf Jahre. Wer da nicht früh genug an die Zukunft denkt, riskiere das Aus auch gut gehender Betriebe, lautet ihre Warnung. Zumal die Nachfolgefrage auch angesichts der demografischen Entwicklung nicht einfacher geworden ist. Wohl dem, der Kinder oder Verwandte hat, die sich fürs eigene Unternehmen begeistern können. 39 Prozent der befragten hessischen Geschäftsführer kleiner und mittlerer Unternehmen gehen davon aus, das ihr Geschäft in Familienhand bleibt. Wie sich das praktisch anfühlt, kann Isabelle Himbert berichten, die Tochter von Simone Weinmann-Mang und Wolf Mang, den man in Hessen auch gut als Präsidenten der Vereinigung hessischer Unternehmer kennt. Himbert hat gerade den vom Großvater gegründeten Maschinenbauzulieferer Arno Arnold in Obertshausen übernommen.

Vor dieser Entscheidung stand ein großer Familienrat, die Eltern wollten ihre beiden Kinder nicht drängen, aber doch früh Klarheit schaffen. Woran sie ist, weiß seitdem auch Isabelle Himbert, deren berufliche Laufbahn über Singapur, Stockholm, Paris und Dublin nun nach Obertshausen führt. „Eins ist doch damit klar, den Arbeitgeber wechsle ich nicht mehr.“ Das gilt im besten Falle auch für Joy Edwin Thanarajah, der gerade in große Fußstapfen getreten ist, wie er selbst sagt. Am Monatsanfang hat sein bisheriger Chef Thomas Deininger dem Vierunddreißigjährigen ganz offiziell die Verantwortung für die 120 Mitarbeiter zählende Personalberatung Deininger Consulting übergeben, die ihren Sitz in Frankfurt hat und Niederlassungen in Berlin, Neu Delhi, Düsseldorf, London, Mumbai, Shanghai und Warschau betreibt.

Die beiden Männer sind beim Thema Nachfolge eine Art Rarität: Der Umfrage zufolge können sich nur fünf Prozent der Befragten vorstellen, dass einer ihrer Mitarbeiter den Betrieb kauft und fortführt. Damit wird diese Option noch seltener in Betracht gezogen als der Verkauf (acht Prozent). Für Thomas Deininger hingegen ist sie die beste Variante, damit nicht nur das Unternehmen als rechtlich-wirtschaftliches Konstrukt, sondern auch die dem Kunden vertraute Kultur fortlebt: „Ich wollte die Nachfolge unbedingt intern regeln“, sagt er. Übernahmeangebote habe er stets ausgeschlossen. Seit 1981 vermittelt Deininger seiner Kundschaft vor allem Mitarbeiter für die oberen Managementebenen. Insbesondere Banken, aber auch Bauunternehmen, Autohersteller und Hidden Champions aus dem Mittelstand lassen sich von ihm bei der Suche nach Fachund Führungspersonal unterstützen. Auch für sie kommt der Übergang nicht überraschend, schon seit einigen Jahren bereiten Thanarajah und der 1944 geborene Deiniger diesen Schritt vor, seit dem Jahr 2020 ist der Junior Teil der Geschäftsführung.

Bevor er einen seiner Mitarbeiter zu seinem Wunschnachfolger gemacht hat, hat sich Deininger den in Sri Lanka geborenen und in Mittelhessen aufgewachsenen Wirtschaftswissenschaftler genau angesehen. Der war vor rund 15 Jahren zu Deininger Consulting gekommen. Eine Nachfolgeentscheidung treffe man nicht von „heute auf gleich“, sagt der Senior. Doch mit den Jahren sei bei ihm das Gefühl gereift, dass Thanarajah die Unternehmenskultur mit derselben Ernsthaftigkeit lebe wie er selbst. „Mit dem Generationswechsel schaffe ich für mein Unternehmen eine langfristige Perspektive“, sagt Deininger, der sich nach eigener Aussage von allen Firmenanteilen getrennt hat. Ganz aufhören will er jetzt aber noch nicht. „In dieser Branche kann man nicht von jetzt auf gleich gehen.“ Aus dem operativen Geschäft werde er sich aber zurückziehen. „Jetzt muss mir der Erfolgsschritt für die nächsten zwanzig Jahre einfallen“, fasst Nachfolger Thanarajah seinen Auftrag zusammen. Er wird dabei gewiss auf DeiningersVorarbeit in SachenDigitalisierung setzen, an der er auch selbst seinen Anteil hat. Denn ab 2010 leitete der nun frischgebackene Unternehmer das Research-Center, die Recherche-Abteilung der Personalberatung. Früher als andere setzte Deininger auf Internet und Datenbanken, stellte mehr als 20 Mitarbeiter speziell für die Suche und Kontaktpflege im Netz ein und baute mit den Jahren selbst eine mit Profilen, Kontakten und Unternehmenswissen gut gefüllte digitale Informationssammlung auf, die nun eine Art Garant dafür ist, dass Deininger Chefs oder Ingenieure vermitteln kann, die mit ihren Qualifikationen, aber auch mit ihrer Art ins Unternehmen passen.

Wobei das Computerwissen natürlich nicht die Menschenkenntnis der Berater übertrumpfen kann. Entscheidend, sagt Deininger, bleibe die persönliche Ansprache.

28.07.2022