Exportschlager aus Bayern | Deininger Consulting
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Exportschlager aus Bayern

Kameras und Licht auf höchstem Niveau: Für Dr. Jörg Pohlman ist die Nähe zum Kunden das Geheimnis des ARRI-Erfolgs.

Exportschlager aus Bayern - ARRI-Alexa Mini LF Cinematographer Heiko Knauer

Gerade erst war Jörg Pohlman wieder ganz nah an seiner Zielgruppe. Das für die operativen Geschicke verantwortliche Vorstandsmitglied der Münchner ARRI Gruppe lud 80 Kameraleute und Oberbeleuchter zu einem Praxisseminar ein: Die Profis aus aller Welt durften auf Einladung von ARRI jetzt schon ausprobieren, was die Tüftler aus der Lichteinheit am Standort Stephanskirchen bei Rosenheim an Innovationen demnächst auf den Markt bringen werden. Und noch wichtiger: Sie konnten Wünsche anmelden. „Dieser unverstellte, direkte und partnerschaftliche Kontakt zu unseren Kunden ist für unser Unternehmen das Lebens- und das Überlebenselixier“, sagt Pohlman. Der promovierte Jurist ist seit viereinhalb Jahren für das unternehmerische Geschick des Traditionshauses aus München verantwortlich.

Und hat seither manchen Grund für Stolz entwickeln können: Von den jüngst für den Oscar nominierten Produktionen wurden in der Kategorie „Bester Spielfilm“ sieben von acht und bei „Beste Kamera“ und „Bester nicht-englischsprachiger Film“ sogar alle mit ARRI-Kameras gedreht. Und die erfolgreichsten zehn deutschen Streifen des Jahres 2019 gingen ausnahmslos durch die hauseigene Postproduktion. Das Filmtechnikunternehmen aus München trägt den Ruf deutscher Wertarbeit in mehr als hundert Länder der Welt. Mit Kameras von ARRI wurden allein zuletzt folgende Filme gedreht: „Bohemian Rhapsody“, „Blade Runner 2049“, „Call me by your name“, „Get Out“, „Lady Bird“, Mudbound“, „The Shape of Water“ und „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“. Dabei dominierte das Kameramodell ALEXA, das 2015 in den Markt eingeführt wurde. Das Magazin „Filmpuls“ schrieb: „Sie war die weltweit am häufigsten eingesetzte Geheimwaffe der Filmemacher in Hollywood.“ Solch ein Unternehmenserfolg wirkt sich auch positiv auf die Mitarbeiter aus. „Wir spüren hier schon einen ganz besonderen ARRI-Spirit“, sagt Pohlman.

ARRI hat seinen Namen aus den beiden Anfangsbuchstaben von August Arnold und Robert Richter. Lange Zeit gehörte das Unternehmen beiden Familienstämmen. Heute sorgt die Stahl Beteiligungs GmbH der Nachfahren des Mitgründers Robert Richter FÜR EINE DAUERHAFTE; LANGFRISTIGE Zukunftsperspektive. Die beiden waren Tüftler, erst achtzehn und neunzehn Jahre alt, und wollten schon in den Kindertagen des Kintopps Filme drehen. Dazu brauchten sie Geräte. Die bauten sie selbst. So entstand ihre erste Kamera. Die Gründung des Unternehmens im Kriegsjahr 1917 fand zwar nicht in einer Garage statt, aber doch in einer Schusterwerkstatt mitten in München. Und vom Pioniergeist der Gründer scheint eine Menge erhalten geblieben zu sein – jedenfalls haben die Nachfolger immer wieder Innovationen hervorgebracht, zuletzt die digitale Filmkamera. Ein solches Spezialgerät aus dem Hause ARRI ist heute für Preise zwischen 35.000 und 100.000 Euro zu haben. Das größte Modell, die ALEXA 65, wird nur durch den hauseigenen Rentalservice eingesetzt, liefert unvergleichlich scharfe und klar definierte Bilder und ist mehrere hunderttausend Euro wert.

ARRI ist in mancher Hinsicht ein typisches Unternehmen des deutschen Mittelstandes: Zum einen lokal verankert und bodenständig, der Sitz liegt seit den Anfängen unverändert in der Münchner Türkenstraße. Zum anderen ist ARRI global tätig, Weltmarktführer und seit hundert Jahren ständig in enger Tuchfühlung mit der angestammten Branche. Auch die Kenndaten deuten auf gesunden deutschen Mittelstand: etwa 400 Millionen Euro Umsatz, rund 1.500 Mitarbeiter, sehr hoher Forschungsanteil (allein in der Kameraherstellung arbeiten mehr als hundert Entwickler). Der Enge am heimischen Standort „mit seinen fast labyrinthischen Strukturen“ in der Türkenstraße entgeht man bis Ende des Jahres 2019 mit einem Neubau drei Kilometer nördlich, inklusive offen gestalteter Büroarbeitsplätze und einer gemeinsamen Kantine für alle Mitarbeiter. Manche dieser Arbeitsplätze in der Kameraproduktion müssen übrigens so klinisch sauber sein, dass weder das winzigste Staubkorn noch die feinsten Hautpartikeln eine Chance haben.

Präzision, aber auch Gemeinsamkeit wird überhaupt groß geschrieben in einem Betrieb, in dem vom Kamerabau bis zur Postproduktion, also der digitalen Nachbereitung der Bilder, alles ineinandergreifen muss. In Deutschland ist das Unternehmen vor allem für diese Nachbereitung (ARRI Media) bekannt, international für die Kameras und seinen Verleihservice (ARRI Rental). Aufgeholt hat aber vor allem der Sektor „Licht“. Als Pohlman seine Aufgabe 2014 antrat, lag der LED-Anteil innerhalb der Lichtsparte bei gerade einmal acht Prozent, heute liegt er bei rund 70 Prozent. In dem in der Film- und TV-Landschaft besonders erfolgreichen LED-Lichtflächensystem SkyPanel steckt eine zehnjährige Forschungsarbeit – mit dem Ergebnis einer besonders hellen wie weichen Illumination, die zunehmend nicht nur Film- und TV-Studios ausleuchtet und stufenlos regulierbar ist. Zur Diversifikation zählt ferner die Medizintechnik, denn wer gestochen scharfe Bilder für Filme liefern kann, der darf sich auch zum Beispiel bei Aufnahmen aus dem HNO-Raum bewähren. Schon in den 70er Jahren war die analoge ARRITECHNO35 eine der erfolgreichsten Röntgenkameras. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen für die Medizinsparte fast dreißig Mitarbeiter, die Sache ist ausbaufähig, auch in Richtung Neurochirurgie. Die meisten Beschäftigten arbeiten noch immer für die Kamerasektion, gefolgt vom Lichtsektor und dann den Dienstleistungssparten von ARRI Rental und ARRI Media.

Jörg Pohlman, Jahrgang 1963, war vor seiner Tätigkeit bei ARRI in der Automobilbranche tätig, bei einem Gemeinschaftsunternehmen von SGL Automotive Carbon Fibers und BMW. Sieht er seine neue Branche vor den gleichen oder ähnlichen Herausforderungen wie die Autoindustrie mit deren Hinwendung zur Elektromobilität? Der Veränderungsdruck, sagt Pohlman, sei in beiden Branchen enorm. Für ihn als Vorstand ist die Gegenläufigkeit der Entwicklungen eine Herausforderung: Die Postproduktion ist sehr viel günstiger geworden und erfordert entsprechendes Kostenmanagement, die digitale Produktion von Kameras und Licht aber beschleunigt sich enorm und erfordert Changemanagement und die ständige Rekrutierung bester Mitarbeiter. Oberstes Gebot, das macht Pohlman unmissverständlich klar, bleibt die Nähe zum Kunden: „Unsere besondere Herausforderung liegt darin, in der Vielzahl der neuen technischen Möglichkeiten genau die auszumachen, die der Kunde will und braucht.“

18.02.2020